Flammwidrigkeit bei halogenfreien Leitungen

Halogenfreie Leitungen sind in zahlreichen Anwendungen in Industrie und Infrastruktur Pflicht. Mit der Zeit haben sich dafür unterschiedliche Bezeichnungen etabliert wie FRNC, HFFR, LS0H oder LSZH. Doch wie aussagekräftig sind diese Kürzel, und welche Vorteile bieten halogenfreie Leitungen im Vergleich zu halogenhaltigen Produkten? HELUKABEL klärt auf.

Flame retardancy in halogen-free cables

Bei Halogenen (auch bekannt als „Salzbildner“) handelt es sich um die chemischen Elemente Chlor (Cl), Brom (Br), Fluor (F) und Iod (I). Bei der Kabelherstellung dienen sie dazu, bestimmte Aderisolations- und Mantelmaterialien flammwidrig zu machen: Hier kommen insbesondere Chlor (als Bestandteil des Kunststoffs PVC oder von Chloropren-Kautschuk) und Fluor (als Teil der Hochtemperaturwerkstoffe FEP, PTFE und ETFE) zum Einsatz. Auch Brom wird in Flammschutzmitteln für Kabel und Leitungen verwendet.

Das Problem: Im Brandfall sind Halogene äußerst aggressiv und schädlich. Dabei entstehen Halogenwasserstoffe, die sich beim Kontakt mit Feuchtigkeit zu Säuren entwickeln und Verätzungen der Atemwege hervorrufen können. Außerdem verursachen die freigesetzten Säuren Korrosion an Metallteilen und können somit Maschinen und sogar die Armierung von Betonteilen in Gebäuden beschädigen. Das wiederum kann aufwändige und teure Dekontaminierungsarbeiten nach sich ziehen.

Aus Brandschutzgründen ist die Flammwidrigkeit von Kabeln und Leitungen natürlich ein wichtiges Kriterium. Allerdings gibt es zahlreiche Anwendungen, in denen auch explizit halogenfreie Produkte gefordert sind – also Kabel und Leitungen, deren Werkstoffe frei von Chlor, Brom, Fluor und Iod sind. Bei diesen entstehen bei einem Brand nur wenig Säure, Rauch und eine geringere Toxizität, wodurch sich die Folgeschäden an Menschen, Gebäuden und Maschinen deutlich reduzieren lassen. Giftige Gase wie etwa Kohlenmonoxid bilden sich allerdings auch bei einem Brand von halogenfreien Leitungen.

Vorgeschrieben sind halogenfreie Kabel und Leitungen unter anderem für Gebäude mit Menschenansammlungen und dort, wo hohe Sachwerte zu schützen sind. Beispiele dafür sind:

  • Gebäudetechnik: In öffentlichen Gebäuden wie etwa Büros, Einkaufszentren, Schulen, Krankenhäusern und Flughäfen gelten strenge Brand- und Gesundheitsschutzverordnungen. Die meisten Kabel und Leitungen sind hier fest verlegt und müssen keine besonderen chemischen und mechanischen Eigenschaften erfüllen. Zum Einsatz kommen häufig PE- oder PP- basierende Kunststoffmischungen, die halogenfrei, flammwidrig, raucharm und gering toxisch sind und sehr oft einen Bündelbrandtest bestehen müssen.
  • Industrieautomation: Bei der Verkabelung von Maschinen und Anlagen ist häufig eine hohe chemische und mechanische Beständigkeit von Kabeln und Leitungen gefordert. Besonders in bewegten Anwendungen wie in Energieführungsketten oder der Robotik sind die Belastungen hoch. Hierfür werden meistens Mantelmischungen auf Basis von TPE-O oder -U verwendet (PUR oder Santoprene). Diese sind auch in halogenfreier Ausführung verfügbar, jedoch können diese nicht so flammwidrig und raucharm ausgeführt werden wie in der Gebäudetechnik.

Typische Bezeichnungen von halogenfreien Leitungen

Im Lauf der Jahre sind in Abhängigkeit von Herstellern, Märkten, Regionen und Normen unterschiedliche Bezeichnungen für halogenfreie und flammwidrige Kabel entstanden:

  • FRNC Flame Retardant Non Corrosive
  • HFFR Halogen Free Flame Retardant
  • LS0H Low Smoke 0 Halogen (auch: LSOH)
  • LSZH Low Smoke Zero Halogen

Eine konkrete Aussage bezüglich Flammwidrigkeit, Korrosivität, Toxizität und Lichtdurchlässigkeit gibt allerdings keine dieser Bezeichnungen. Hierfür müssen Anwender die Normen im Datenblatt des jeweiligen Anbieters beachten. Nur über die dortigen Angaben lassen sich die Brandeigenschaften (horizontaler, vertikaler oder Bündelbrandtest) erkennen.

Welche Normen sind typisch für halogenfreie Kabel?

  • DIN EN 60754-1 VDE 0482-754-1:2021-02 definiert die Prüfgeräte und das Prüfverfahren zur Bestimmung des Säuregehalts. Das Prüfergebnis muss geringer als 5 mg/g ausfallen, damit das Kabel als halogenfrei gilt.
  • DIN EN 60754-2 VDE 0482-754-2:2021-02 definiert die Messung des pH-Werts und die Leitfähigkeit. Das Prüfergebnis muss beim pH-Wert unter 4,3 und beim Leitfähigkeitswert unter 10 µS/mm liegen.
  • DIN EN 61034-2 VDE 0482-1034-2:2021-02 definiert die Messung der Rauchgasdichte von brennenden Kabeln. Das Prüfergebnis muss mindestens 60% Lichtdurchlässigkeit erreichen, damit das Kabel als raucharm gilt. Je nach Anwendungsbereich, Abnehmer und Region kann auch eine höhere Lichtdurchlässigkeit gefordert werden. Ziel ist, dass im Brandfall der Mensch den Brandherd und die Fluchtmöglichkeit erkennen kann. Diese Norm wird etwa in öffentlichen Gebäuden und im Zugverkehr aufgrund der hohen Personendichte gefordert.

Fazit

Halogenfreie Kabel und Leitungen bieten in zahlreichen sicherheitskritischen Anwendungen deutliche Vorteile, da bei einem Brand weniger Giftstoffe und Rauch entstehen. Gleichzeitig müssen jedoch auch diese Produkte eine hohe Flammwidrigkeit aufweisen, um verschiedene Normen und Vorschriften zu erfüllen. Die hierfür etablierten Bezeichnungen FRNC, HFFR, LS0H oder LSZH lassen keine konkreten Rückschlüsse auf die tatsächliche Flammwidrigkeit der Leitungen zu. Dafür sind lediglich die im Datenblatt genannten Normen ausschlaggebend: Durch diese erfahren Anwender, ob es sich um ein Produkt mit niedriger, mittlerer oder hoher Flammwidrigkeit und eine raucharme Konstruktion mit geprüfter Lichtdurchlässigkeit handelt. Als Experte für elektrische Verbindungstechnik mit mehr als 45 Jahren Erfahrung ist HELUKABEL gerne bei der Auswahl der passenden Kabel und Leitungen behilflich.

Zurück